Freie Lüftung gemäß Lüftungsnorm
Architekten und Planer wird durch die DIN 1946-6 ein Instrument an die Hand gegeben, welches ihm die Umsetzung der Energieeinsparverordnung erleichtert und die Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Lüftungssystemen lässt. Bereits Anfang 2019 waren wir mit dem Geschäftsführer vom Verband Fenster + Fassade Frank Koos im Gespräch zur Neuauflage der im Dezember 2019 veröffentlichten Lüftungsnorm.
Das Gespräch mit Frank Kroos
Redaktion: Was wird nach dieser Normänderung in puncto Lüftung auf die Planer zukommen?
Frank Koos: Grundsätzlich kann man sagen, dass das Anforderungsniveau mit dem der alten Norm vergleichbar ist. Neu für den Planer ist die Struktur. Die neue Fassung der DIN 1946-6 wird künftig in die Abschnitte Lüftungskonzept, freie Lüftung und ventilatorgestützte Lüftung gegliedert. Des Weiteren wird ein Abschnitt „kombinierte Lüftungssysteme“ neu aufgenommen. Das bedeutet, hat sich der Planer oder Architekt für ein bestimmtes System, wie beispielsweise der freien Lüftung entschieden, muss er sich im konkreten Projekt nur noch mit diesem Abschnitt befassen. Dies macht es für die Praxis übersichtlicher und damit auch schneller und leichter umsetzbar. Ergänzend sei hier noch erwähnt, dass für die Berechnung des Außenluftvolumenstroes durch In- und Exfiltration in der Norm noch eine Anpassung nach dem Stand der Technik vorgenommen wird. Neu ist ein Anhang für Kellerlüftung.
Redaktion: Was ist die zentrale Forderung der Lüftungnorm?
Frank Koos: Unser Ausgangspunkt ist die EnEV mit dem geforderten Mindestluftwechsel. Sie bildet den gesetzlichen Rahmen, die Norm dient der Beschreibung der Lösungsmöglichkeiten für deren Umsetzung bei üblicher Nutzung. Dabei werden der Bautenschutz sowie der Schutz der Gesundheit gefordert. Konkret muss für Wohnungen bei freier Lüftung mindestens die Lüftung zum Feuchteschutz nutzerunabhängig sichergestellt sein. Der darüber hinaus notwendige Luftwechsel zum Abtransport von Feuchte, Gerüchen und Schadstoffen muss bei Anwesenheit mindestens über manuelles Fensteröffnen durchführbar sein. Wenn der nutzerunabhängige Luftwechsel wahlweise auf die Nennlüftung, d. h. Gesamt-Außenluftvolumenstrom von ungefähr 30 m³/h je Person, erweitert wird (z.B. ventilatorisch), so ist es ebenfalls erforderlich, höhere Belastungen durch Fensteröffnen abzulüften.
Redaktion: Wann müssen Lüftungskonzepte nach der Norm erstellt werden?
Frank Koos: Ein Lüftungskonzept ist bei neuen Gebäuden zu erstellen. Ebenso bei einer relevanten Modernisierung, wenn z.B. in einer Nutzungseinheit mehr als ein Drittel der Fenster getauscht oder wenn in einem Einfamilienhaus mehr als ein Drittel des Daches abgedichtet wird.
Redaktion: Bitte geben Sie einen Überblick, welche Möglichkeiten man hat, um den normativen Forderungen gerecht zu werden.
Frank Koos: Es gibt eine ganze Bandbreite an Auswahlmöglichkeiten. Die Systeme unterscheiden sich insbesondere in der Miteinbeziehung des Nutzers. Dementsprechend können wir grundsätzlich nach der freien und der ventilatorgestützten Lüftung unterscheiden. Darüber hinaus ist nach der neuen Norm nun noch das kombinierte Lüftungssystem möglch. Die Wahl steht frei.
Redaktion: In welchen Fällen müssen lüftungstechnische Maßnahmen geplant werden?
Frank Koos: Das ist abhängig von der Wahl des Lüftungssystems. Wählt der Architekt ein ventilatorgestütztes Lüftungssystem, so ist die lüftungstechnische Maßnahme die planmäßige Konsequenz. Wählt der Architekt die freie Lüftung, so ist zu prüfen, ob die Infiltration, d. h. der Luftaustausch über Restundichtigkeiten der Gebäudehülle, zur Feuchteschutzlüftung ausreichend ist. Wenn nicht, wird der geforderte Feuchteschutz beispielsweise über den Einsatz von selbstregulierenden Fensterlüftern hergestellt. Die Berechnung bzw. Auslegung über Anzahl und Platzierung von Fensterlüftern ist dann von Parametern wie Dichtheit des Gebäudes, Lage des Gebäudes, etc. abhängig. Kurzum, es ist die freie Entscheidung des Architekten oder Planers, welches Verfahren er einsetzt.
Redaktion: Ein wichtiges Thema bei der technischen Ausstattung von Gebäuden ist immer die Wirtschaftlichkeit und die Bezahlbarkeit. Wie kann man nach erneuerter Norm wirtschaftliche Lösungen für die Lüftung realiserien?
Frank Koos: Jedes Lüftungssystem hat seine Vor- und Nachteile, und die jeweilige Lösung kommt den Bedürfnissen des einen näher als denen des anderen. Bei einer Kosten-Nutzen-Betrachtung fallen bei ventilatorgestützten Konzepten im Hinblick auf Investition und Unterhalt vergleichsweise hohe Kosten an, wobei der Nutzer nur einen geringen bis gar keinen täglichen Aufwand für das manuelle Lüften hat. Demgegenüber steht die kostengünstige freie Lüftung, in der zwar zumindest der Feuchteschutz nutzerunabhängig gegeben ist, jeodch z.B. Gerüche durch den Nutzer manuell abgelüftet werden müssen. Unterm Strich heißt das, dass man durchaus auch mit geringen Investitions- und Unterhaltskosten die Norm erfüllen kann.
Redaktion: Sie haben von freier Lüftung gesprochen. Wie genau funktioniert diese?
Frank Koos: Die freie Lüftung basiert auf Druckdifferenzen, die zum Luftwechsel führen. Man bedient sich hier zweier natürlicher Wechselwirkungen: Zum einen nutzt man den Auftrieb durch Temperaturdifferenzen, zum anderendie Wirkung von Winddruck und Windsog. Klassischerweise wird nach diesem Prinzip die Querlüftung nach DIN 1946-6 umgesetzt.
Redaktion: Die Lüftung über den natürlichen Antrieb des Windes zu lösen, klingt naheliegend und unkompliziert. Aber ist der Wind eine verlässliche und kalkulierbare Größe?
Frank Koos: Bei Bearbeitung der Norm wurden Wetterdaten der letzten Jahrzehnte zugrunde gelegt. Hierzu wurden Durchschnittswerte für kritische Zeiten, sprich die Heizperiode, ermittelt. So lassen sich für die DIN 1946-6 gute Annahmen treffen, die in der Heizperiode zuverlässig angesetzt werden können. Deutschland ist hierbei in windstarke und windschwache Landkreise eingeteilt. In der Heizperiode reichen die Antriebe des Windes gut aus, um die Lüftung mindestens zum Feuchtschutz, doer auch mehr zu realisieren. Treten zu hohe Winddrücke wie zum Beispiel bei Sturm auf, begrenzen selbstregulierende Fensterlüfter automatisch.
Redaktion: Zusammenfassend gefragt, welche Rolle spielt auch nach erneuter Lüftungsnorm das Fenster bei der Lüftung?
Frank Koos: Das Fenster ist ein unerlessliches Lüftungsinstrument. Die Lüftungsnorm verlangt, mindestens die Lüftung zum Feuchteschutz nutzerunabhängig auszulegen. Das bedeutet, dass bspw. im Fenster integrierte Fensterlüfter einen Minimalluftwechsel garantieren, der den Bautenschutz sicherstellt. Um darüber hinaus Feuchte, Gerüche und das anfallende CO2 der Nutzer abzutransportieren ist es normengerecht und auch praxisnah, dass hierfür das Fenster geöffnet wird. Auch bei einer ventilatorgestützten Lüftung, die nicht auf Intensiv-Lüftung ausgelegt ist, kann man nicht auf das Öffnen von Fenstern verzichten. An dieser Stelle noch der Hinweis, dass auch bei einem dezentralen System eine ventilatorgestützte Lüftung verbunden mit dem Fenster möglich ist oder auch mit automatisierten Fenstern höhrere Lüftungsstufen nutzerunabhängig über freie Lüftung realisiert werden können.
Redaktion: Können Sie uns einen Ausblick geben? Was können wir in Zukunft für die Norm erwarten?
Frank Koos: Der VFF sieht mit der Norm ein gutes Hilfsmittel, wie man das Thema Lüftung angehen kann. Er empfiehlt, damit offen umzugehen und die Norm in der Planung mit einzubeziehen. Es wird künftig eine europäische Norm der Lfütung geben. Erste Gespräche dazu haben begonnen, es wird jedoch noch einige Jahre bis zu deren Umsetzung dauern.
Der Verband Fenster + Fassade (VFF) ist die Fachorganisation der mittelständischen Wirtschaft, die die führenden Hersteller von Fenstern, Türen und Fassaden in Deutschland vertritt. Unsere Mitgliedsbetriebe verar-beiten Aluminium, Stahl, Holz, Holz-Metall und Kunst-stoff als Rahmenmaterialien in Bauteilen mit transparenten und opaken Füllungen. Als material-übergreifender Verband vertreten wir die Interessen von über 400 Fenster- und Fassadenher-stellern sowie Unternehmen der Zulieferindustrie.
Achim Kockler & Enrico Mager
Achim Kockler, Geschäftsführer der INNOPERFORM® GmbH, und Enrico Mager, Prokurist (v.r.n.l.)
Die INNOPERFORM® GmbH unterstützt seit mehr als 20 Jahren bei der Lüftungsplanung.
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